Es gibt unzählige Checklisten und Handbücher, die Gründer beim Thema Selbstständigkeit unterstützen sollen. Was dabei zum Teil jedoch sehr kurz kommt, ist die Finanz- bzw. Controlling-Perspektive. Auch hier gibt es einige Punkte, die ein Gründer von Beginn an im Blick haben sollte, um sein Unternehmen auf eine solide Basis zu stellen.
Den richtigen Steuerberater finden
Der erste und vielleicht sogar wichtigste Schritt ist die Wahl eines Steuerberaters. Klingt simpel, aber zu oft erleben wir, dass Kunden den erst besten oder schlicht den günstigsten wählen und später das böse Erwachen folgt. Im besten Fall erfolgt dann ein Wechsel, der viel Zeit, Geld und Nerven kostet, im schlechtesten Fall erfolgt der Gang zum Insolvenzverwalter.
Wir möchten natürlich nicht behaupten, dass alle oder der Großteil der Steuerberater einen schlechten Job machen! Aber Hand aufs Herz: Viele Gründer haben von der Materie „Buchhaltung“ und „Steuern“ wenig bis überhaupt keine Ahnung. Daher muss dem Steuerberater oft blind vertraut werden. Wenn man da an den Falschen gerät – und wie in jeder Branche gibt es auch hier schwarze Schafe – hat man ein Problem.
Unser Tipp: Empfehlungen von Bekannten einholen, sich bei Gründungsinitiativen informieren, ganz konkret nach Herbstgesprächen* fragen und Angebote vergleichen.
Tipps beim Abgleich:
- Was bekomme ich für einen Sachbearbeiter (Steuerberater, Bilanzbuchhalter, Steuerfachangestellter). Je höher die Kompetenz, desto schneller wird mir geholfen. Der Steuerfachangestellt muss unter Umständen erst den Steuerberater fragen.
- Handelt es sich um eine Kanzlei, die auch Rechtsberatung durch Rechtsanwälte anbietet. Erhält man die Leistung aus einer Hand, findet intern zwischen dem Steuerberater und dem Rechtsanwalt statt, so wird man vollumfänglich beraten.
- Onlineaffinität des Steuerberater: Der Steuerberater sollte in der Lage sein, meine Unterlagen online anzunehmen und mir die Auswertungen auch online zur Verfügung stellen können.
- Daten aus Fremdprogrammen: Der Steuerberater muss die entsprechenden Anbindungen besitzen, um beispielsweise Daten aus meinem Rechnungstool direkt beziehen kann.
Buchhaltungsprozess einführen
Die meisten schleppen das Thema Buchhaltung lange als ungeliebten Ballast mit sich herum. Da werden Tank- und Restaurantbelege monatelang in der Geldbörse gesammelt, Rechnungen, die per Mail kommen, irgendwann mal ausgedruckt und für die Übermittlung an das Steuerbüro ist monatlich jemand anderes zuständig (nämlich der, der das kürzeste Streichholz zieht).
Schlussendlich führt so etwas dazu, dass spätestens zum Jahresabschluss alle fehlenden Belege für Bank- oder Kassenbewegungen panisch gesucht werden. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Jahresabschluss meist zwischen März und Juni des Folgejahres erfolgt und dann Belege aus 12 Monaten gefunden werden müssen, kann man sich ein ungefähres Bild vom Zeitaufwand und den Schwierigkeiten machen. Ärgerlich ist, dass für Belege, die nicht mehr auffindbar sind, auch keine Vorsteuer gezogen werden kann.
Der laxe Umgang mit der Buchhaltung kann also im Zweifel richtig viel Geld kosten, das man ansonsten vom Finanzamt erstattet bekommen hätte. Zudem sind die Buchhaltungsauswertungen nicht aussagekräftig, wenn zahlreiche Rechnungen schlicht fehlen. Das macht keinen guten Eindruck bei potenziellen Investoren und ja, Profis erkennen auf den ersten Blick an verschiedenen Punkten, dass die Buchhaltung schluderig ist.
Die einfache Lösung:
- Einen Verantwortlichen im Team bestimmen, der den Bereich verantwortet.
- Monatlich zu einem festgelegten Zeitpunkt alle Belege des Vormonats bei der Buchhaltung einreichen (am einfachsten indem man alle einscannt und digital übermittelt) und anschließend abheften.
- Direkt mit dem Steuerbüro abstimmen, ob Belege fehlen und diese ggf. nachreichen.
- Auswertungen monatlich prüfen, ob die dargestellten Werte zur Geschäftsentwicklung passen
Geschäftsmodell mit Zahlen hinterlegen und Finanzplanung aufbauen.
Wer sein Geschäftsmodell wirklich durchdacht hat, sollte keine Schwierigkeiten haben es mit Zahlen zu hinterlegen. Hier geht es insbesondere um Annahmen wie z.B.:
- Wie groß ist meine Kundenzielgruppe?
- Welches Marktvolumen ist realistisch?
- Welche Preise haben meine Produkte bzw. meine Dienstleistungen?
- Biete ich ein Abo-Modell an? Wenn ja, mit welchen Laufzeiten?
- Welche Marge kann ich realisieren?
- Wie spreche ich meine Kunden an und welche Kostenentstehen mir dabei? Welchen Output kann ich realisieren (Stichwort Conversion Rates)?
- Wie lange dauert es von der Kundenansprache bis zur Umsatzgenerierung?
- …
Je nach Unternehmensidee gibt es zahlreiche weitere interessante Fragen, die sich ein Gründer unbedingt gleich zu Beginn stellen sollte. Das Ergebnis wird entweder sein, dass das Geschäftsmodell sich in der aktuellen Form nicht rechnet und angepasst werden muss oder aber dass mit den Antworten ein solider Finanzplan gebaut werden kann. Letzteres ist sowohl für die interne Zielsetzung als auch für potenzielle Investorengespräche unabdingbar.
Ein wichtiger Hinweis: Unabhängig von der Unternehmensphase sollte man das Geschäftsmodell immer wieder hinterfragen. Einige der heute international bekannten Unternehmen sind mit völlig anderen Geschäftsmodellen gestartet und haben diese mit der Zeit angepasst. Ein Beispiel hierfür ist Paypal, dessen Gründer ursprünglich mit der Idee einer Internetwährung gestartet sind.
Wäre das Unternehmen dabei geblieben, würden wir heute wohl kaum alle den Namen kennen. Wichtig ist sich nicht an einer Idee festzuklammern, sondern flexibel auf den Markt, den Wettbewerb und Kundenfeedback reagieren zu können.
Mit einer rollierenden Finanzplanung, die regelmäßig an die neusten Buchhaltungsdaten und Entwicklungserwartungen angepasst wird, und einem kompetenten Steuerberater ist man dann gut gerüstet für die Herausforderungen eines eigenen Unternehmens.
Herbstgespräche sind Gespräche beim Steuerberater, bei dem das laufende Jahr besprochen wird. Ziel ist es die steuerlichen Aspekte des Jahres zu klären und genügend Vorlauf zu haben.
Vorteile eines Herbstgespräches:
- Anpassung der Steuervorauszahlungen
- Analyse der betriebswirtschaftlichen Situation und Aufzeigen von Gestaltungsmöglichkeiten
- Bekanntmachungen von Gesetzesveränderungen zugeschnitten auf das jeweilige Unternehmen
Über den Autor:
Matthias Wendler ist Geschäftsführer der Kernaussagen GmbH. Die Kernaussagen GmbH bildet seit über drei Jahren das Controlling für Startups und KMU ab. Zum Leistungsumfang gehören außerdem Investorenberichte sowie die Erstellung der Finanzplanung. Zu den über 118 Kunden in Deutschland zählen viele Startups wie z.B. Protonet, Secucloud oder Userlike.
5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Meine Idee, mich selbstständig zu machen, ist bisher immer gescheitert, weil ich keine Lust auf den Papierkram hatte. Jetzt hab ich mal wieder einen Anlauf genommen und will es professionell angehen – mit einem Steuerberater. Daher vielen Dank für die Hinweise, wie ich einen guten Berater finde. Auf jeden Fall werde ich auf die Onlineaffintät achten. VG
Freunde von mir haben bereits im August ihr Start-up im Transportwesen gegründet. Ich glaube, bisher kümmern sie sich selbst um ihre Steuerangelegenheiten selbst. Ich werde Ihnen mal den Hinweis weiterleiten, dass ein guter Steuerberater bzw. eine Steuerberatungsgesellschaft doch auch zu mehr unternehmerischer Flexibilität führen kann.
Ich plane, mich Ende des Jahres mit einem Schreibservice selbstständig zu machen. Dass man rechtzeitig einen Steuerberater hinzuziehen sollte, habe ich auch von allen Seiten gehört. Ich finde zudem den Rat gut, sich vor der Gründung einen Rechtsbeistand zu suchen.
Mein Bruder arbeitet an seiner Selbstständigkeit. Freunde haben ihm empfohlen von Anbeginn einen Steuerberater zu konsultieren. Die Tipps, wie man einen Steuerberater findet, werde ich ihm mal weiterleiten.
Mein Freund wird ab Oktober selbstständig tätig sein. Er meint, dass er dann für dieses Jahr noch keinen Jahresabschluss abliefern muss? Ich glaube, die Tipps, um einen guten Steuerberater zu finden, braucht er ganz dringend. Danke für diese Infos!